100 Jahre Motorsport – wissenschaftliche Aufarbeitung
durch Daimler-Chrysler
Die DaimlerChrysler AG führte Anfang April 2001 in Stuttgart erstmals ein Symposium durch, in dem der Motorsport wissenschaftlich betrachtet wurde. So etwas hatte es
bisher noch nicht gegeben!
Es trafen sich in Stuttgart im historischen Mercedes-Museum namhafte Wissenschaftler und Journalisten sowie historisch Interessierte zu einem interdisziplinären Erfahrungsaustausch.
Das Programm spiegelte die Vielfältigkeit des Rennsports wieder. Die Geschichte des Rennsports
ist mehr als nur die Geschichte der Rennfahrzeuge, der Rennen, der Fahrer, der Fabriken und der Unternehmen oder der Rennstrecken, Veranstalter und Verbände. Rennsport ist auch, und das in
besonders augenfälliger Weise, Ausdruck einer konzentrierten Form einer Mensch-Maschine-Beziehung. Beide, Mensch und Maschine, sind in eine Symbiose gezwungen, die nur ein Ziel
verfolgt: das der höchsten Funktionalität. Die Stuttgarter Tage zur Automobil- und Unternehmensgeschichte 2001 trugen dazu bei, die vorhandenen Lücken in der wissenshaftlichen
Forschung über das Thema “Rennsport” zu schließen.
Zur Entwicklung der Formel 1 in der Nachkriegszeit referierte Adriano Cimarosti, der seit 40 Jahren
bei der Automobilfachzeitschrift “Automobil Revue” in Bern arbeitet.
Die Rennwagen der Formel 1 haben zwar wenig mit Serienautos zu tun, allerdings seien einige technische Neuerungen auch ins Alltagsleben übertragbar gewesen.
“In erster Linie geht es aber um den Sport, der nicht unbedingt von technischem Nutzen sein muss”,
sagt der gebürtige Italiener, den die schnellen Autorennen seit seinem zehnten Lebensjahr
faszinieren. Ein großer “Sprung” habe 1968 stattgefunden, als Werbung auf den Formel 1-Boliden zugelassen wurde. Das Thema, dem sich der Fachmann gestern widmete: Entwicklungen im
Motorsport von 1949 bis heute. “Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit Rennfahrzeugen
aus den Vorkriegsjahren gefahren.” Die dominierenden Autos waren Ferrari und Alfa Romeo, auf dem Juan Manuel Fangio 1951 Weltmeister wurde. Spitzengeschwindigkeit des Wagens: 330
Stundenkilometer. Pferdestärken unter der Motorhaube: “Je nachdem, wen man damals gefragt hat”, so Cimarosti.
Eine Grenze, die alle Rennwagen-Konstrukteure damals durchbrechen wollten, waren die “magischen
100 PS pro Liter Hubraum.” Das wurde mit dem Maserati A6 erreicht. Während in Indianapolis 1953 erstmals Scheibenbremsen eingesetzt wurden, gelang Jaguar der Sieg bei den 24 Stunden von Le
Mans. Ein Jahr darauf kehrte Mercedes in die Formel 1 zurück. “Der Mercedes W 196 war damals ein Sprung in die Zukunft”, erklärt Cimarosti. Denn der erste Achtzylindermotor mit
Kraftstoffdirekteinspritzung brachte es auf 265 PS. Den Großen Preis von Frankreich am 4. Juli 1954 in Reims dominierten dann auch die Fahrer Karl Kling und Juan Manuel Fangio, die für Mercedes
einen Doppelsieg herausfahren konnten.
Wichtig für die Entwicklung des Rennsports seien aber auch die Formel 3-Rennwagen gewesen, die
bereits ab 1946 in England konstruiert wurden, so Cimarosti. “Die mussten sehr leicht gebaut werden
, in Mittelmotorbauweise.” Ein Schmankerl konnte der Rennsportexperte verraten: “Sie entstanden aus Motoren von Feuerwehrspritzen und wurden dann weiter entwickelt.”
Die Entwicklung bei den Rennwagen der Formel 1 ging stetig weiter. “Ab 1963 werden die Reifen
immer breiter.” Außerdem werden neue Chassis konstruiert. “Ab 1966 bekamen die Rennwagen
sogar Flügel.” Die Ingenieure konzentrierten sich auf die bis dahin wenig beachtete Aerodynamik. Nach mehreren Unfällen wurden die Flügel, die mehr als einen Meter über dem Boden angebracht
waren, verboten. Entwicklungen wie der Turbolader, der Einsatz von Carbon und Crash-Tests, die seit
Beginn der 90er Jahre durchgeführt werden, sollen für mehr Sichrheit sorgen. “Das kann den Fahrern das Leben retten.”
Auch für das abendliche Ambiente wurde gesorgt, so fand beispielsweise ein Abendessen im historischen Museum statt. Namhafte ehemalige Mercedes Benz-Rennfahrer waren da, zu nennen
seien Formel 1-Rennfahrer Hans Herrmann, Europameister Eugen Böhringer, Rallye Monte Carlo-Sieger Schock/Moll sowie auch der bekannte Motorjournalist der Nachkriegszeit Günter Molter. Man
hatte also genug Zeit, sich mit den Größen des Motorsports der 50er und 60er Jahre zu unterhalten.
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