Anderstorp

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Webmaster Reinhold Zitzelsberger

Letzte Änderung

Donnerstag, 22. August 2013 

Anderstorp

Rennstrecke in den småländischen Wäldern

 

Etwa 70 km südwestlich von Jönköping, der „Streichholz-Stadt“ am Vätternsee (zweitgrößter See Schwedens), liegt inmitten der riesigen Wälder von Småland – und nur 60 km entfernt von meinem schwedischen Domizil – Anderstorp. In den 70er Jahren wurde in Anderstorp Formel 1-Geschichte geschrieben und der Rundenrekord von Niki Lauda auf dem „Staubsauger-Brabham“ besteht heute noch.

Rennstrecke

Die schwedische Rennstrecke entstand Anfang der 70er Jahre in einer Sumpflandschaft und war äußerst schwer zugänglich, zumal der kleine Ort Anderstorp auf der Landkarte kaum zu finden ist. Durch die Erfolge des schwedischen Formel 1-Piloten Ronnie Peterson war auch die Popularität dieser Sportart in Skandinavien gestiegen und so fand 1973 erstmals ein Großer Preis von Schweden statt. In Anderstorp haben alle Kurven den gleichen Radius und die Start- und Zielgerade ist die Landebahn eines Flugplatzes, der einige Zeit vor der Rennstrecke entstand. Die Boxen sind ein großes Stück von der Startlinie entfernt, so dass der Start, wie in Spa-Francorchamps, praktisch unter Ausschluss der Zuschauer stattfand. Nach dem Tod von Peterson, der bis heute in Schweden keinen gleichwertigen Nachfolger gefunden hat, fand 1978 der letzte Große Preis von Schweden statt.

Hinzu kam, dass mittlerweile die Infrastruktur nicht mehr zeitgemäß war. Es wurden zwar noch einige Motorrad-GP gefahren – aber auch hier wurden die Ansprüche höher und so wurde Anderstorp auch hier vom Terminkalender gestrichen. Das letzte große internationale Ereignis fand 2002 statt – ein Lauf zur europäischen Tourenwagenmeisterschaft.

Besuch in Anderstorp

Eigentlich wollte ich schon immer mal nach Anderstorp gefahren sein – Fahrzeit von meinem Haus eine gute Stunde auf hervorragend ausgebauten Straßen. Aber es hatte bisher nicht geklappt.

In Värnamo, einer wunderschönen Stadt an der E4 (Autobahn Helsingborg – Jönköping – Stockholm) gab’s noch einen Capuccino. Erinnerungen gab’s hier an die Hochwasserkatastrophe im Juni 2004, wo zwei Menschen ertrunken waren (Hochwasser ist für Schweden ungewöhnlich).

Ich erreichte die etwa 2 km südlich von Anderstorp gelegene Rennstrecke, auf einer riesigen Tribüne sitzen ein paar Menschen – davor stehen gelbe Rennwagen mit der Aufschrift www.rajamakiracing.com.

Man übt das Starten und fährt ein paar Runden. Ich unterhalte mich mit dem Starter und stelle bald fest, dass er der Chef der Trainingsveranstaltung ist. Auf seiner Visitenkarte, die ich später bekomme, steht „Johan Rajamäki, racing driver“.

Die ein- oder zweitägigen Kurse werden im internet auf der v.g. web-site angeboten und beinhalten

  • - allgemeine Informationen zur Fahrzeug- und Fahrtechnik
  • - Sicherheitseinweisungen
  • - 30 Runden im Opel-Lotus-Monoposto
  • - 8 Runden in einem Formel 1
  • Als Formel 1 stehen zur Verfügung
  • - ein Jaguar Formel 1
  • - ein Jordan Formel 1 (1998, ehemaliges Fahrzeug von Damon Hill).
  • Beide Fahrzeuge sind nicht mit den Original-Motoren ausgerüstet – sondern mit haltbaren Motoren der Marke Judd (3 Liter, V8), die etwa 500 PS leisten und die in der Formel 3000 verwendet werden. Auch hier wird normal geschaltet, denn neueste Formel 1-Technik wäre ungeeignet, weil nicht bezahlbar.

Ein Kurs kostet 15.600 SKR, das sind etwa 1.700 € und damit liegt man im unteren Bereich ähnlicher Kursangebote.

Beim Training gibt’s hin und wieder mal einen Regenschauer, so dass mit Regenreifen gefahren wird.

Die Strecke ist rutschig und entsprechend vorsichtig fahren die Teilnehmer. Jeweils vorweg fährt ein „Profi“ in einem Opel-Lotus, der es aber aufgrund seiner Routine ohne weiteres schafft, vor den leistungsstärkeren Formel 1-Rennwagen mit den Anfängern zu bleiben.

Bemerkenswertes Rennen

Ronny Peterson (JPS-Ford), der letzte große schwedische Formel 1-Rennfahrer, hätte 1973 fast das Eröffnungsrennen gewonnen. Er hatte in der letzten Runde einen Reifenschaden, so dass der „Außenseiter“ Dennis Hulme auf McLaren-Ford gewann. Niki Lauda war der letzte Sieger 1978 mit einer „Revolution“ im Rennwagenbau.

38 Runden lang führte Mario Andretti, doch der Schatten des schwarzen Lotus war nicht schwarz sondern rot: Niki Lauda im neuen Brabham-„Staubsauger“ hatte den Wunder-Lotus entwaffnet. Er ging an Andretti vorbei als würde dieser parken. Andretti fiel zurück, ein kapitaler Motorschaden brachte das Ende.

Brabham-Konstrukteur Gordon Murray war etwas Geniales eingefallen. Er holte die Wasserkühler vom Bugspoiler zurück auf den Motor. Den kühlenden Fahrtwind ersetzte er durch den Sog eines vom Getriebe her angetriebenen Sechsblatt-Propellers. Gleichzeitig wird durch den Propellersog unter dem Wagenboden ein Vakuum aufgebaut. Plastikvorhänge dichten das Chassis gegen die Straßenoberfläche ab. Die Technische Subkommission der CSI hatte dem Brabham-Ventilator attestiert, dass er dem Reglement entspräche.

Die Brabham-Konkurrenten waren anderer Meinung. Mr. Lotus, Colin Chapman, hatte errechnet, „dass der Ventilator zwölfmal so viel Luft produziert wie für die Wasserkühlung erforderlich wäre“.

Seine Meinung: „Ganz klar, es handelt sich hier primär um ein Mittel zur Abtriebserzeugung, wie das Reglement es verbietet.“

Die Grand-Prix-Truppe zerstritt sich in Anderstorp wegen des revolutionären Brabham-Staubsaugers. Ein Protest vor dem Rennen wurde von den Sportkommissären abgelehnt, ein Protest nach dem Lauda-Sieg gar nicht erst angenommen.

Lauda hatte der schon leicht zerrütteten Ehe zwischen Brabham und Alfa Romeo den ersten Sieg geschenkt. Zweiter wurde Ricardo Patrese auf Arrows. Niki Lauda witterte erstmals wieder WM-Chancen.

Der Brabham-„Staubsauger“ wurde nach dem Schweden-GP verboten, weil der aufgewirbelte Staub zu gefährlich für die anderen Teilnehmer war.

Das Ende von Anderstorp?

Heute werden an Rennstrecken samt Infrastruktur hohe Anforderungen gestellt. Dazu muss viel Geld investiert werden. Dazu ist es aber wiederum erforderlich, hohe Zuschauerzahlen zu haben – und die kann das bevölkerungsarme Schweden nicht bieten. So wird Anderstorp wohl nur noch für kleinere lokale Rennen genutzt werden – eigentlich schade!

 

       

     

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