50 Jahre nach Fangios Sieg wieder ein aufregendes Formel 1-Rennen
- Alonso kämpft Massa nieder -
Der Große
Preis von Europa 2007 auf dem Nürburgring war ein highlight in der Geschichte des Motorsports. Der Nürburgring zeigte mal wieder seine Besonderheiten, kurz nach dem Start regnete es in
Strömen. Markus Winkelhock, Formel 1-Neuling aus dem Schwabenland, führte sogar einige Runden bei seinem Formel 1-Debüt das Rennen an. Der Wunderknabe Lewis Hamilton startete nach einem
Horrorcrash im Qualifying von der 10. Startposition aus und rundete sich sogar zurück! Ein wirklich tolles Rennen, von dem die 130.00 Zuschauer und die vielen Millionen Fernsehzuschauer
nur so schwärmten!
Historie
Ab 4. August 1957 hatte Juan Manuel Fangio sein letztes Rennen gewonnen und wurde mit diesem Sieg zum 5.
Male Formel 1-Weltmeister. Er war damals 46 Jahre alt! Ein Jahr später zog er sich vom aktiven Autorennen zurück – blieb bis zur Schumi-Ära aber, gezählt nach Weltmeistertiteln, der
erfolgreichste Rennfahrer.
Ich war damals dabei, war mit 15 Jahren von Hannover zum Nürburgring getrampt und schwärme heute noch von
dem besonderen Rennverlauf. Damals war es nicht üblich nachzutanken. Fangio musste aber nachtanken, was über 1 Minute dauerte. In dieser Zeit gingen die Ferrari-Fahrer Mike Hawthorn
und Peter Collins vorbei. In einer wahnsinnigen Aufholjagd kämpfte Fangio die beiden jungen Engländer nieder und gewann das Rennen.
Auch eine Parallele zum Großen Preis von Europa 2007, hier gelang es dem Weltmeister Fernando Alonso, den
weit führenden Felipe Massa nach Einsetzen eines Regenschauers doch noch einzuholen und in einem spektakulären Manöver eingangs der Ford-Kurve zu überholen.
Besichtigung bei Toyota
Der Große Preis von Europa dauert 4 Tage! Am Donnerstag Abend haben die Fans die Möglichkeit, die Boxengasse
zu besuchen. Hier hat man einen kleinen Einblick in die Boxen und kann zuschauen, wie die Monteure das Reifenwechseln und Tanken üben. Wenn man Glück hat, sieht man auch diesen oder jenen
Formel 1-Rennfahrer. Ich hatte hier das Glück, den Japaner Takuma Sato zu sehen, der mit dem Roller von einer Erkundungsrunde um den Ring zurück kam.
Höhepunkt für mich war aber der Besuch der Toyota-Box- Hier arbeitet mein Nachbar Dietmar Spohn seit Jahren
im Formel 1-Team. Sein Sohn Niko war mit mir zum Ring hochgefahren und Dietmar ging mit uns durch die Box. Fotografieren war verboten, aber man konnte doch so einiges sehen. Die Rennwagen
selbst waren aufgebockt und wurden für das Freitag-Training vorbereitet. Im hinteren Bereich der Box lagen die verschiedenen Reifen in Heizdecken. Wegen der feuchten Außenluft wurden sie
mit Trockenluft versorgt. Auf der rechten Seite der Boxengasse ein Kommandostand der Ingenieure. Sie überwachen hier per Telematik die übermittelten Daten des Rennwagens. Im hinteren Teil
standen 6 Motoren. 2 für das Rennen am Samstag/Sonntag, 4 als Ersatz für eventuelle Notfälle. Eingebaut waren die Motoren für das Freitag-Training, die am Abend wieder ausgebaut werden
dürfen. Bekanntlich müssen die Formel 1-Rennwagen seit der Saison 2006 für 2 Rennen mit einem Motor auskommen. Ab 2007 darf am Freitag ein besonderer Motor verwendet werden.
Hinter den Boxen dann die riesigen Transporter und die bis zu 3 Stockwerke hohen „Häuser“, in denen
das Wochenende über Monteure, Rennfahrer und eingeladene Gäste beköstigt werden. Die Fahrer führen hier erste Gespräche mit ihren Rennleitern und Ingenieuren. Ansonsten noch recht viel
Ruhe in den Boxen und im Fahrerlager.
Am Ende der Boxengasse gab es dann die Möglichkeit, mit Bussen um den Grand-Prix-Kurs zu fahren. Leider war
Marc Surer schon nach Hause gegangen und so erklärte uns der Busfahrer den Ring – allerdings wenig fachkundig.
Training und Qualifying
Wie bei den vorherigen Rennen so bestimmten auch die roten Ferraris und silberfarbenen McLaren-Mercedes das
Trainingsgeschehen. Das erste freie Training „gewann“ Senkrechtstarter Lewis Hamilton auf McLaren-Mercedes. Heidfeld und Kubitza landeten auf den Plätzen 4 und 5. Auch beim zweiten
freien Training am Freitag gab es nur unwesentliche Veränderungen, diesmal war Raikkönen Schnellster vor Hamilton.
Man hat während des Freitags-Trainings die Möglichkeit, mit den für das Wochenende erworbenen Karten alle
Streckenabschnitte zu besuchen. Wir machten von dieser Möglichkeit Gebrauch und verweilten eine Zeit lang in der Ford-Kehre, wo die Rennfahrzeuge relativ langsam fahren (etwa 100 km/h).
Hier hat man die Möglichkeit, schöne Fotos zu machen.
Beim Qualifying am Samstag gab’s einen bösen Unfall. Lewis Hamilton fuhr mit einem platten Reifen in
dem „Schumacher-S“ mit über 200 km/h in die Reifenstapel und musste zur Untersuchung nach Koblenz geflogen werden. Am nächsten Morgen gab der Rennarzt „grünes Licht“ und so
durfte der 24jährige Senkrechtstarter doch noch starten.
Trainingsschnellster war Kimi Raikkönen (Ferrari) vor Fernando Alonso (McLaren-Mercedes). An 4. Stelle lag
bereits Nick Heidfeld vor Robert Kubitza.
Lewis Hamilton konnte sich nach dem Unfall nicht weiter steigern und musste mit Startplatz 10 zufrieden sein.
Weitere 4 Deutsche waren am Start. Ralf Schumacher startete vom 9. Startplatz, Niko Rosberg vom 11. und die
beiden deutschen Spiker-Fahrer Sutil und Winkelhock von den Plätzen 20 und 21.
Wetterkapriolen am Sonntag
Ich hatte eine Karte auf einer Zusatztribüne an der Dunlop-Kehre gekauft mit dem Hintergedanken, dass man
von hier aus gut fotografieren kann. Leider war die Sitzreihe 5 so tief, dass man noch hinter einem Sicherheitszaun saß. Das sollte man im nächsten Jahr verbessern und die Tribüne einen
Meter höher bauen. Noch während der Einführungsrunde konnte man vom Westen her kommend schwarze Regenwolken erkennen. Gleichwohl wurde mit Slicks gestartet. Die beiden Ferraris mit
Raikkönen und Massa setzten sich an die Spitze. Sie wurden gefolgt von Fernando Alonso.
Ungeschickt verhielten sich die beiden BMW-Fahrer Heidfeld und Kubitza, sie schossen sich in der
Mercedes-Arena gegenseitig ab und Heidfeld kam als letzter vorbei. Unbemerkt von allen hatte sich Markus Winkelhock nach der Einführungsrunde in die Boxengasse begeben, um
Intermediate-Reifen aufziehen zu lassen. Sein Teammanager hatte aus Blankenheim berichtet, dass es dort ganz kräftig regnen würde und so entschloss sich das Spiker-Rennteam, Winkelhock
mit Intermediate-Reifen los zu schicken.
In der 1. Runde regnete es schon so kräftig, dass alle Fahrzeuge (bis auf Winkelhock) in die Boxengasse zum
Reifenwechsel fuhren. Der Führende Kimi Raikkönen verpasste die Einfahrt und kam in der lang gezogenen Rechtskurve wieder auf die Rennstrecke zurück und musste mit Trockenreifen eine
ganze Runde fahren. Das warf ihn hoffnungslos zurück.
Winkelhock war bekanntlich aus der Boxengasse gestartet und führte das Feld an. In kurzer Zeit vergrößerte
er seinen Vorsprung auf 30 Sekunden.
Mit dem immer stärker werdenden Regen gab es eine regelrechte Rutschorgie auf der Rennstrecke. Fisichella
rutschte in der Dunlop-Kehre aus, konnte aber wieder auf die Rennstrecke zurückfahren. In der 3. Runde fahren Hamilton, Sutill, Rosberg, Button, Speed und Davidson im Haug-Haken raus und
landen im Reifenstapel. Als einziger dieser Fahrer kann Lewis Hamilton an den Kran eines Abschleppfahrzeuges genommen und auf die Rennstrecke zurück gebracht werden. Sein Motor läuft und
Hamilton fährt mit fast einer Runde Rückstand dem Feld hinterher. Das Safety-Car wartet am Ende der Boxengasse auf die herankommenden Rennfahrzeuge. Der aus der Boxengasse kommende
Toro-Rosso-Fahrer verfehlt das Safety-Car nur knapp und rutscht ebenfalls in das Kiesbett.
Schade, der Vorsprung von Markus Winkelhock wird durch das Safety-Car eingebremst. Lewis Hamilton darf das
Safety-Car überholen und sich zurückrunden. In der 6. Runde erfolgt, nachdem der Regen etwas nachgelassen hat, ein Neustart. Schade, Markus Winkelhock wird schon in dieser Runde von den
anderen Rennwagen überholt. In der 16. Runde scheidet er mit Motorschaden aus.
Ich wollte es anfangs gar nicht glauben, dass Markus Winkelhock führt. Weil er noch nicht im Programm stand
(er war kurzfristig für den rausgeschmissenen Niederländer Christijan Albers eingesprungen), telefonierte ich mit meiner Tochter Imke, um mich über den Stand des Rennens zu informieren.
Die Freude war groß, dass es tatsächlich Markus Winkelhock war!
Während das Safety-Car noch fährt und Hamilton sich zurückrundet, fährt er auch an die Box, um Trockenreifen
aufzuziehen. Man „pokerte“ bei McLaren-Mercedes, denn vielleicht hätte das auch gut gehen können. Doch die Rennstrecke war noch zu nass, Hamilton fliegt vor unseren Augen an der
Dunlop-Kehre ins Kiesbett, kann sich aber auch wieder zurück auf die Fahrbahn bewegen – verliert dabei aber viel Zeit und ist Letzter des Feldes. Im Verlauf der nächsten Runden holt
Massa, der mittlerweile führt auf den nunmehr fast eine Runde zurückliegenden Hamilton auf und überrundet diesen sogar!
Gewonnen habe bei dem Durcheinander, bedingt durch das Wetter, die Red Bull-Rennwagen von Webber und
Coulthard. Sie liegen an 3. und 4. Stelle und behaupten diese Position bis zum Ende des Rennens.
Vom Ende des Feldes holt Nick Heidfeld auf. Bei dem Versuch, Ralf Schumacher in der Coca-Cola-Kurve zu
überholen, schießt er diesen ab. Heidfeld kann weiterfahren und wird sogar noch 6., nachdem er seinen Stallkollegen Kubitza hinter der NKD-Schikane noch überholt hat.
Was wäre gewesen, wenn sich die beiden BMW-Rennwagen nicht in der 1. Runde schon gegenseitig von der Piste
geschubst hätten?
Höhepunkt des Rennens war dann wieder ein Schauer, 8 Runden vor Schluss. Es werden wieder Reifen gewechselt.
Massa, der haushoch geführt hatte, verliert seinen Vorsprung an Alonso. Dort wo niemand überholt, in dem Berg-ab-Stück vor der Ford-Kurve geht Alonso an Massa vorbei. Beide Fahrzeuge
berühren sich noch.
Im hinteren Feld hat sich Lewis Hamilton mit neuen Rekordrunden wieder zurückgerundet und sogar noch einen
Renault von Fisichella überholt. Er wird aber nur undankbarer 9. (keine Punkte!).
Schlussbemerkungen
Ein aufregendes Rennen mit vielen Überholmanövern an Stellen, an denen normalerweise am neuen Ring nicht überholt wird.
Geflucht haben sicher die Teameigentümer, denn der Regen verursachte viel „Kleinholz“, aber –
ein wunderschöner Renntag, an den sich noch viele erinnern werden.
PS Es gab rund um die Dunlopkehre ein paar Probleme. Ich habe das an Dr.Kafitz geschrieben. Er versprach Abhilfe.
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