Großer Preis der Türkei 2008
- Wenig Zuschauer aber spannendes Rennen -
Wenig Zuschauer auf einer super modernen Rennstrecke in der geschichtsträchtigen Stadt
Istanbul zwischen den Erdteilen Europa und Asien – es war der erst vierte Grand Prix der Türkei. Es gab einen Dreikampf um den Sieg – letztendlich siegte ein Ferrari mit Philippe Massa
vor Lewis Hamilton auf McLaren Mercedes und dem zweiten Ferrari mit Kimi Räikkönen. Die BMW Sauber mit Kubitza und Heidfeld liefen auf den undankbaren Plätzen 4 und 5 ein. Entschieden wurde das
Rennen beim Start und in der Qualifikation.
Istanbul am Bosporus
Ich musste ohnehin für einen Zeitungsbericht über türkische Häfen noch Bilder und Recherchen durchführen –
und so passte es ganz gut, dass Schwager Dieter auch nach Istanbul zum Formel 1-Rennen wollte. Dieter
buchte über einen Reiseveranstalter für 1.400 € einschließlich einer Tribünenkarte am Ende der Start- und
Zielgeraden. Doch wie ich buchen wollte, war die sog. Deadline schon überschritten und so musste ich selbst Flug, Hotel und auch einen Leihwagen ordern.
Morgens kam ich um etwa 3.00 Uhr Ortszeit an. Der Flughafen
Sabiha Gökeen im asiatischen Teil von Istanbul war mausetot, es gab keinen Mietwagen. Der stand auf dem 60 km entfernten Flughafen Atatürk. Um 7.00 Uhr sollte ein Shuttlebus zu dem
anderen Flughafen verkehren – doch der kam nicht. Also musste ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren – und das war eine
schöne aufregende Reise mit Bus, Schiff, Straßenbahn und Metro. Insgesamt war ich wohl 3,5 Stunden unterwegs und habe dabei Istanbul hervorragend kennen gelernt. Allein die Fahrt morgens
über den Bosporus für 1,3 türkische Lira (= 0,6 €) war super: Containerschiffe, eine bunte Mischung türkischer Landsleute an
Bord und eine einmalige Sicht auf die Moscheen und Paläste von Istanbul – was wollte man mehr?
Der Mietwagen, ein Renault Clio, „wartete“ schon auf mich und nach dem Verlassen des Flughafens ging’s ins
Verkehrsgewühl. Jeder Türke rast und überholt links und rechts – man muss höllisch aufpassen. Schwager
Dieter, der schon stundenlang auf mich im Hotel „All seasons“gewartet hatte, stieg zu und weiter ging die Fahrt über die Bosporusbrücke zur Rennstrecke, Fahrtrichtung immer in Richtung Ankara. 15 Minuten vor der 2.
Trainingssession standen wir auf unserer Tribüne Nr. 1, am Ende der Start- und Zielgeraden. Übrigens ist die Kombination schlafen und essen in der
Altstadt von Istanbul und tagsüber Erleben an der Rennstrecke weit draußen in einer hügeligen Landschaft einfach super. Der abendliche
Rundgang zur Blauen Moschee, entlang des Marmarameers und Goldenen Horns zur Galatabrücke war beeindruckend. Fisch gab’s in einem
Touristenrestaurant auf der Galatabrücke – das Lokal lag unterhalb der Fahrbahn fast in Höhe des Wassers. Gut schmeckten insbesondere die
Scampis als Vorspeise, in Butter mit Gemüse gebraten und heiß in einer Tonschale serviert. Dann gab’s Seebrasse mit Salat.
Bei der Rückfahrt mit der Straßenbahn verpassten wir unsere Haltestelle um 2 Stationen und mussten, weil es
die letzte Straßenbahn war, zurück zum Hotel im Stadtteil Topkapi doch einige ΄zig Minuten zu Fuß laufen.
Am Sonntag Morgen fehlte die Chipkarte zum Passieren der Mautstellen. Offensichtlich hatte man die
„mitgehen“ lassen, während das Fahrzeug vom Hotelportier umgesetzt wurde. Ich dachte, ich könnte bar an den
Mautstellen bezahlen und fuhr los. Doch es gab keine Möglichkeit, das Geld los zu werden – nur „Electronic
-Cash“. Ich klemmte mich wenige Zentimeter hinter einen Bus, die Schranke ging wieder hoch, nachdem sie
mein Auto „zu erschlagen“ drohte, es gab Alarm, aber ich war da schon über alle Berge. Schwein gehabt,
vielleicht gibt es noch eine Nachverfolgung – aber bei Mietwagen tut sich jede Polizei schwer.
Istanbul-Park
Über gut ausgebaute nagelneue Straßen erreichten wir die Rennstrecke im „Istanbul-Park“. Schon auf der
Autobahn ist alles gut ausgeschildert. Von einem Hügel kommend liegt die Rennstrecke etwas im Tal. Markant
zwei im orientalischen Stil gehaltene Türme jeweils am Ende der Boxen. Am Freitag Mittag wenig Zuschauer –
aber viel Personal, Reinigungskräfte, Polizei und Soldaten mit Maschinengewehren sowie viele in türkisblau
gekleidete Security-Leute. Die Türkei ist „innen“ unsicher, denn die Kurden im Osten des Landes verüben
immer wieder Anschläge. Ich werde nach dem Passieren der Sicherheitsschleuse abgetastet und muss auch meine Fototasche öffnen. Bei mir wohl nur Formsache, denn so genau wird nicht nachgeschaut.
Für 400 türkische Lira (jtl) (= 235 €) bekomme ich eine Karte auf der Tribüne von Schwager Dieter, direkt hinter
der ersten Kurve nach dem Start. Meist ist da ja was los und tatsächlich gab’s fliegende Autos in der ersten Runde.
Die Rennstrecke wurde vom Aachener Architekten Thielke 2004 gebaut und 2005 gab es mit Kimi Räikkönen
auf McLaren Mercedes den ersten Sieger. Streckenlänge 5,338 km. Die Strecke ist in die hügelige Landschaft
eingepasst, so dass es auch Gefälle und Steigungen gibt. Höchstgeschwindigkeit 321 km/h. Nach dem
Eröffnungsrennen wurden die letzten zwei Rennen von Philippe Massa auf Ferrari gewonnen. Gewinnt er auch ein weiteres Mal?
An den markanten Streckenabschnitten wurden für das Rennen Tribünen aufgebaut, die allerdings sehr weit von
der Rennstrecke entfernt sind.
Seit der Eröffnung vor 4 Jahren hat das Autodrom meistens Negativ-Schlagzeilen geschrieben: Verkehrschaos,
Verbrechen gegen Mitglieder des GP-Zirkus, nicht funktionierende Sanitäranlagen an der Strecke, Drainage
-Probleme bei Regen, Missbrauch der Siegerehrung zu politischen Zwecken, usw. Auch in den letzten Jahren
fanden wenig Zuschauer den Weg zur 60 km von der Istanbuler Altstadt gelegenen Strecke – das war auch in diesem Jahr so. Auffallend die Leere der teuren Tribünen gegenüber Start und Ziel.
Training
Es war kalt (etwa 14° C), es regnete teilweise und Freitag wurden erste Trainingsrunden gefahren. Wir machten
unsere Fotos von der Tribüne 1 aus. Hier kommen die Rennwagen mit fast 300 km/h an und bremsen in eine
bergab fallende Linkskurve, um in einer Rechtskurve unterhalb einer Fußgängerüberführung zu verschwinden.
Am Samstag-Training machen wir noch Aufnahmen in einer 180°-Rechtskurve, die mit 220 km/h angefahren
wird. Nach der Kurve geht’s für einige hundert Meter bergauf, um in eine lang gezogene Linkskurve hinein zu
stoßen, die in „mehreren Teilen“ durchfahren wird und wo sowohl das rechte Vorderrad als auch der Kopf des Fahrers sehr stark belastet werden.
Das „Qualifying“ endete zunächst mit einer kleinen Überraschung: Der 2 Wochen vorher schwer verunglückte
Finne Heikki Kovalainen wurde erst im allerletzten Moment von Philippe Massa auf den 2. Platz verdrängt. In der
2. Startreihe standen wieder ein Ferrari mit Kimi Räikkönen sowie ein Mercedes McLaren mit Lewis Hamilton.
Programmgemäß Fünfter war der erste BMW mit Robert Kubica. Nick Heidfeld im zweiten BMW kam „nur“ auf
den neunten Platz. Nico Rosberg auf Williams schaffte es noch unter die ersten 10, während die anderen
Deutschen Timo Glock, Sebastian Vettel und Adrian Sutil von den hinteren Rängen aus starten mussten.
Auffallend gut im Qualifying war mal wieder Marc Webber auf dem 6. Platz. Der sechste Platz ist deshalb
besonders hoch zu bewerten, weil Webber im Freitags-Training noch einen „Abflug“ bei 200 km/h hatte und hierbei sein Auto zerstört wurde.
Rahmenprogramm
Es gab nur ein kleines Rahmenprogramm. Ein Rennen der GP2-Serie sowie ein Rennen des internationalen
Porsche-Carrera-Cups. Beim ersten GP2-Rennen am Samstag gab’s zunächst zwei überlegen Führende, bis
das Safety-Car auf die Strecke musste, weil Bruno Senna bei über 280 km/h einen streunenden Hund erwischt
hatte, dabei wurde ein Rad abgerissen. Senna blieb wie durch ein Wunder unverletzt. Die bis dahin Führenden
Romain Grosjean und Andreas Zuber mussten nach der Safety-Car-Phase noch ihren Pflichtboxenstopp absolvieren und fielen dadurch zunächst zurück. Das Rennen gewann der ehemalige Formel 1-Rennfahrer
Giorgio Pantano vor den stark aufholenden Grosjean und Zuber.
Das Sonntags-Rennen verlief ebenfalls mit einer Safety-Car-Phase, diesmal gewann allerdings Grosjean vor
dem Russen Petrov. Der Schweizer Buemi wurde Dritter und Pantano kam diesmal nur auf den vierten Platz – behielt aber die Führung in der Meisterschaft.
Beim Porsche-Carrera-Cup gab’s entgegen sonstigen Rennen interessante Positionskämpfe und auch Unfälle.
So mussten die an 4. und 5. Stelle liegenden Bleekomolen (NL) und Rast (D) nach einem Lackabtausch
aufgeben. Chris Mamerow (D) versuchte es immer wieder, den 2. Platz von Jean Seyffahrth (D) zu bekommen, wurde aber immer wieder abgedrängt. Es gewann Jap van Langen aus den Niederlanden. Seyffahrt,
Bleekomolen und Mamerow führen auch nach dem Rennen die Tabelle an.
Massa gewinnt
Beim Start kam der Trainingsschnellste Philippe Massa (auf Ferrari) am besten weg. In der ersten Rechtskurve
fotografierte ich Massa vor Hamilton und Kubica. Kimi Räikkönen und Heikki Kovalainen hatten sich bei der
Anfahrt auf die erste Linkskurve berührt, wobei Kovalainen seinen Reifen beschädigte und diesen nach der ersten Runde auswechseln musste.
Es gab noch einen spektakulären Crash zwischen Nakajiama (Williams) und Fisichella (Forte India), den ich
allerdings fotografisch nicht mitbekam, weil ich mich auf den Streckenabschnitt in der Kurve festgelegt hatte.
Schwager Dieter erwischte den Crash gut. Es zeigt, wie der Wagen von Fisichella praktisch über den Williams
von Nakajiama fliegt. Nakajama konnte mit defekter Fronthaube bis zur Boxe weiterfahren, für Fisichella war das
Rennen zu Ende, weil sein Rennwagen nur noch zwei Räder hatte. Übrigens konnte ich beim Auswerten meiner
Fotos den Flug von Nakajiama auch noch erkennen. Zum Trost fotografierte ich aber das Aussteigen von Fisichella und die Weiterfahrt von Nakajama sowie das Bergen des Fahrzeugs von Fisichella.
Pech hatte Kovalainen, der von zweiter Position aus gestartet war und dessen Reifen bei einer Berührung mit
Räikkönen beschädigt wurde.
Pech hatte auch Sebastian Vettel, der insgesamt viermal an die Box musste. Wenn sein Fahrzeug lief, dann war
er schnell unterwegs und konnte durchaus mit dem BMW-Sauber von Nick Heidfeld mithalten. Lewis Hamilton
war auf einer 3-Stopp-Strategie unterwegs, weil die Reifen das Durchfahren der lang gezogenen Linkskurve nur
mit Problemen verkrafteten. Man entschied sich deshalb, den Reifen nur jeweils 17 Runden zuzumuten. Dadurch
war sein Fahrzeug leichter und er überholte sogar den Führenden Massa. Aber im Ziel lag Massa sicher vor
Hamilton, Dritter war Räikkönen, der den zunächst an dritter Stelle liegenden Kubica während eines
Boxenstopps überholt hatte. Nico Rosberg bekam noch einen Punkt als Achter, während die anderen deutschen Fahrer Timo Glock und Sebastian Vettel leer ausgingen.
Philippe Massa hatte den Großen Preis der Türkei zum dritten Mal hintereinander gewonnen. Kubica lag wieder
mal vor Nick Heidfeld. Ein starkes Rennen fuhr auch Fernando Alonso auf Renault, er kam als 6. an. Marc Webber auf Red Bull-Renault wurde 7.
Resümée
Der Große Preis der Türkei und das Erlebnis Istanbul waren es durchaus wert,
nach Istanbul zu fliegen. Wenn man bedenkt, dass ich auch noch Dienstliches erledigen konnte, so war es ein gelungenes Wochenende. Übrigens war es
nachts beim Rückflug nach Frankfurt so kalt, dass das Flugzeug enteist werden musste.
|