Truck-Symposium am Nürburgring
Es ist schon Tradition, dass der TÜV Rheinland und der ADAC Mittelrhein
anlässlich des Truck-Grand-Prix ein Symposium am Nürburgring abhalten. Die Besetzung der Rednerliste war hochkarätig, angefangen vom BAG-Präsidenten Andreas Marquardt, dem
Abteilungsleiter im BMVBS Prof. Dr. Josef Kunz bis hin zum Kraftfahrer Uwe Siery – Letzterer bekam viel Applaus, weil der „in seiner Sprache“ über die harte Praxis auf den
Rastplätzen berichtete.
Organisiert hatte das Symposium unser VdM-Kollege Wolfgang Partz.
Chaos auf den Rastplätzen
Die Lage spitzt sich dramatisch zu: Auf den knapp 2.000 deutschen Lkw-Rastanlagen
herrscht wegen des chronischen Platzmangels in den Stoßzeiten oftmals das blanke Chaos. Laut ADAC fehlen bundesweit rund 14.000 Parkmöglichkeiten. Lastzüge drängeln sich dicht an dicht.
Die Folge: Nachzügler verstopfen Aus-und Zufahrten der Rastplätze und verursachen häufig schwere Unfälle. So geschehen Ende Juni auf der A3 bei Wörth an der Donau. Wegen völliger
Überfüllung des Parkplatzes Tiefenthal ragten dort die abgestellten Fahrzeuge bis in die Fahrbahn hinein. Am frühen Morgen geschah dann die Katastrophe. Ein Sattelschlepper raste in zwei
Lkw. Alle drei Lastwagen gingen in Flammen auf. Der Unglücksfahrer verbrannte in dem Wrack.
Prof. Dr. Brauckmann: Kein Einzelfall
„Leider ist dies kein Einzelfall“, betonte Prof. Dr.-Ing. Jürgen Brauckmann,
Vorstand Mobilität TÜV Rheinland, beim TruckSymposium am Freitag, 8. Juli 2011, auf dem Nürburgring. „Immer wieder kommt es zu ähnlich gefährlichen Szenarien. Neben der unhaltbaren
Parkplatzsituation belastet darüber hinaus die zunehmende Verkehrsdichte die Berufskraftfahrer. Der Stresspegel steigt signifikant. Deshalb rückte beim diesjährigen Fachforum, das TÜV
Rheinland und ADAC Mittelrhein erneut gemeinsam ausrichteten, das Spannungsfeld zwischen Lenken und Rasten in den Fokus,“ sagte Prof. Brauckmann. Ein hochkarätig besetztes
Expertengremium beleuchtete am Vortag des ADAC Truck-Grand-Prix das aktuelle Thema „Lenken, rasten, ruhen – Was braucht die Praxis?“.
Unter der Leitung von Prof. Brauckmann gaben die Referenten einen
Überblick über die aktuellen Entwicklungen. Was ist beim Bau und der Überwachung von Rastplätzen künftig geplant? Wie sieht mittelfristig ein machbarer Weg aus der Misere aus? Können verbesserte Leitsysteme Abhilfe schaffen? Welche Erfahrungen macht das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) bei
regelmäßigen Kontrollen? Wie steht es um die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft „Autobahn Tank & Rast“? Was können Lkw-Hersteller leisten, um die Fahrsicherheit und den
Ruhekomfort zu erhöhen? Welche Auswirkungen auf Fahrsicherheit und Verhalten entstehen durch unbewältigten Stress der Trucker?
Zu Beginn des Symposiums blickte Prof. Brauckmann zunächst auf das
Thema des vergangenen Jahres zurück: „Hightec im Lkw – Chancen für Transport und
Verkehr“. So können intelligente Verkehrssysteme (IVS) in erheblichem Maße dazu beitragen, den Verkehr sauberer, sicherer und effizienter zu machen. Deshalb führte das EU-Parlament
im Juli 2010 einen neuen IVS-Rechtsrahmen ein. Diese Richtlinie soll die europaweite Einführung innovativer Verkehrstechnologien beschleunigen. Oberste Priorität haben Verkehrs-und
Reiseinformationen, Einparkhilfen für Lkw sowie das Notrufsystem eCall, das bei einem Unfall automatisch per Mobilfunk Daten wie den genauen FahrzeugStandort an die Rettungskräfte
übermittelt. „Durch den IVS-Einsatz lassen sich die Kosten von Verkehrsüberlastungen, die auf ein Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts geschätzt werden, um zehn Prozent
senken“, erklärte Prof. Brauckmann.
Kritik: Mangelhafte Beleuchtung und zu enge Parkstreifen
In seinem „Praxisbericht aus dem Fahreralltag“ schilderte Uwe Siery,
Spedition Gebrüder Schröder, Ebernhahn (Westerwaldkreis), die Problematik von Sicherheit und Qualität der Lkw-Parkplätze. Er kritisierte die häufig mangelhafte Beleuchtung sowie zu kurze
und enge Parkstreifen. Siery forderte eine Verbesserung der Ein-und Ausfahrten sowie Parkverbote in diesen Bereichen. Außerdem sprach er sich für eine Kameraüberwachung und die Freigabe
von Pkw-Parkplätzen ab 20 Uhr aus. Bei der Verkehrswege-und Parkplatzplanung muss künftig verstärkt darauf geachtet werden, dass die Fahrerkabinen auf der dem Straßenlärm abgewandten
Seite stehen. Den Ruhekomfort der Fahrer erhöhen darüber hinaus Standklimaanlagen und breitere Betten. Elektronische Helfer wie Abstandsregeltempomat, Spurassistent oder automatische
Notbremssysteme sorgen für mehr Fahrsicherheit.
In vielen Industrie- und Gewerbegebieten seien Park- und
Rastmöglichkeiten noch immer Mangelware, sagte Siery. Eine Verschärfung der Situation sieht er durch das immer höhere Lkw-Aufkommen. Er appellierte an Firmen und Kunden, künftig die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.
In Sachen Serviceangebote der Tank- und Rastanlagen bemängelte der Logistiker das ungünstige Preis-Leistungs-Verhältnis beim Essen, die zu geringe Anzahl der Duschen und die daraus
entstehenden Wartezeiten. „Außerdem lässt die Sauberkeit der sanitären Einrichtungen nach 20 Uhr häufig zu wünschen übrig, es fehlt an Personal und aus den Waschbecken fließt mitunter nur
kaltes Wasser.“
Von dem erlesenen Publikum gab’s viel Beifall für den „Trucker“.
Koalitionsvertrag: Beseitigung des Lkw-Stellplatzdefizits
„Im Interesse der Verkehrssicherheit ist die Beseitigung des bestehenden
Lkw-Stellplatzdefizits an deutschen Autobahnen ein im Koalitionsvertrag herausgehobenes Ziel, um eine zukunfts-und leistungsfähige Infrastruktur zu garantieren. Die Fahrer sollen entlang
der Autobahnen einen Parkplatz finden, damit sie ihre gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten einhalten können. Die Umsetzung dieser Aufgabe ist eine besonders wichtige Maßnahme
im Aktionsplan Güterverkehr und Logistik“, unterstrich Prof. Dr.-Ing. Josef Kunz, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Von 2008 bis 2010 konnten mehr als 5.500 neue Lkw-Parkplätze auf den Rastanlagen
der Bundesautobahnen realisiert werden. Der Bund stellte den Ländern dafür insgesamt rund 240 Millionen Euro zur Verfügung. Bis 2012 sollen weitere 5.500 neue Lkw-Parkplätze entstehen.
Um den Lkw-Parkraumbedarf dem prognostizierten Anstieg des
Güterverkehrs anzupassen, hat der Bund veranlasst, gemeinsam mit den Ländern die
Streckenabschnitte der Autobahnen zu ermitteln, auf denen vorbehaltlich der notwendigen Baurechtsverfahren Lkw-Parkkapazitäten benötigt werden. Grundlage ist die Straßenverkehrsprognose
2025.
Planungsstandards: Qualität der Rastanlagen verbessern
Den Baumaßnahmen auf Rastanlagen liegen mit den „Empfehlungen für Rastanlagen an
Straßen“ moderne Planungsstandards zugrunde, die einerseits die Verkehrsabläufe auf den Anlagen noch sicherer machen und andererseits die Aufenthaltsqualität für alle
Verkehrsteilnehmer weiter verbessern werden. Auch bei der Ausstattung von Rastanlagen spielen die Interessen der Lkw-Fahrer eine besondere Rolle, so wird beispielsweise eine von der
Autobahn abgewandte Aufstellung von Lkw – soweit im Einzelfall planerisch möglich – realisiert. Ferner sind ausreichende Sanitäreinrichtungen sowie eine Beleuchtung der
Verkehrsflächen auch auf großen unbewirtschafteten Rastanlagen (mehr als 30 Lkw-Parkplätze) vorgesehen. Um die Fahrer vor dem Lärm der Autobahn zu schützen, wurde auf Initiative des
Ministeriums außerdem eine haushaltsrechtliche Grundlage zur Finanzierung freiwilliger Lärmschutzmaßnahmen im Bereich der Rastanlagen geschaffen.
Zur besseren Parkplatzverteilung und damit einer effektiveren Nutzung
der vorhandenen Kapazitäten soll der Einsatz von telematischen Leitsystemen dienen. Prof. Kunz: „Bis mindestens Mitte 2012 läuft noch eine Pilotphase. Aus den gewonnenen Erfahrungen ergeben sich dann Empfehlungen für eine Technologieauswahl sowie die wirtschaftlich
geeigneten Maßnahmen.“
Resümee
Seit der Einführung des digitalen Tachos haben die Lkw-Fahrer kaum eine Chance, die
vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten nicht einzuhalten. Sie fahren brav die Rastplätze an und finden keinen Parkplatz. Das hat der Gesetzgeber nicht bedacht, wie er die „totale
Kontrolle“ einführte. Nunmehr muss er handeln – aber die Zeit läuft ihm davon. Das Chaos ist bis auf Weiteres perfekt.
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