Alessandro Zanardi – ohne Beine zu Olympia-Gold
Am 7. September 2012 berichtete die Süddeutsche Zeitung im Sportteil „Ass der Pedale“
– Italien feiert Handbike-Sieger Zanardi. Liest man dann weiter, so erfährt man, dass Zanardi früher mal ein bekannter Autorennfahrer war.
Mit seinem Handbike-Sieg ist Alessandro Zanardi zu einem der schillerndsten Akteure der
Paralympics geworden. Den Italiener erreichten danach 909 SMS, am nächsten Tag waren die italienischen Zeitungen voll des überbordenden Lobes für den ehemaligen Formel 1-Fahrer. 2001 hatte Zanardi
auf dem Lausitzring bei einem Unfall beide Beine verloren.
„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht auch traurig bin“, sagte
Zanardi. „Zwei Jahre lang hat mich die Leidenschaft hierher getrieben. Ab Montag muss ich mir eine neue Beschäftigung suchen, sonst wird es ganz schön langweilig in meinem Leben.“.
Für mich war diese einfache Meldung Grund zur Freude, hatte ich doch den Unfall auf dem
Lausitzring miterlebt.
Der Unfall
Es sind am 12.09.2001 noch 13 Runden beim ChampCar-Rennen „GERMAN 500“ und Zanardi führt
– muss allerdings noch kurz vor Ende des Rennens an die Box, um nachzutanken und neue Reifen zu bekommen. Alles läuft planmäßig, doch beim Beschleunigen außerhalb der Boxenausfahrt in einer
Linkskurve kommt Zanardi mit den noch kalten Reifen aufs Gras und dreht sich. Der Rennwagen schleudert auf die Rennstrecke, wo Tagliani mit etwa 320 km/h ankommt und den kreiselnden Rennwagen
von Zanardi vorne trifft. Ein furchtbarer Crash!
Sofort gelbe Flaggen und das Safety-Car kommt auf die Strecke. Die Helfer holen Zanardi aus dem
Auto und bringen ihn in einen Krankenwagen. Zwei Hubschrauber landen. Erstversorgung an der Rennstrecke. Wir sind geschockt. Das Rennen wird hinter dem Safety-Car beendet, es komm für den Sieger
Kenny Bräck (S) keine Freude auf. So nebenbei gratuliert der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe dem Sieger. Eine beklemmende Stimmung, nachdem der gelbe Hubschrauber nach etwa 40
Minuten in Richtung Berlin abfliegt. Schwager Dieter und ich fahren fast ohne Gespräch abends nach Dresden zurück. Am nächsten Tag die erlösende Nachricht: Zanardi hat den Horrorcrash überlebt
– aber beide Beine verloren.
Das Buch
Irgendwann später erwarb ich das Buch „Nicht zu bremsen“.
Faszinierend zu lesen, wie es Zanardi mit eisernem Willen geschafft hatte, aus
einfachen Verhältnissen mit enormer Willenskraft in die Formel 1 zu kommen und in Amerika 2mal Champcar-Champion zu werden (1997 und 1998). Die Rückkehr aus
Amerika in die Formel 1 verlief allerdings nicht optimal. Der Kommentar von Niki Lauda vor dem Neustart in der Formel 1 „Der war vorher nix und wird auch nix werden.“ Recht bekam Niki Lauda.
Zanardi ging wieder zurück in die Staaten und kam auch wieder im Top-Team von Mo
Nunn unter. Im Gegensatz zur Formel 1 fuhr er wieder vorne mit.
Genesung und Neustart
Zanardi überlebte den Unfall und der Heilungsprozess dauerte fast ein Jahr. Mit
enormer Willenskraft schaffte es Zanardi, wieder zu laufen und Auto fahren zu können.
Wieder erlebte ich Zanardi am Lausitzring ein Jahr später: Er wollte das Rennen vom Vorjahr zu Ende fahren
und mit einem Champcar-Rennwagen des Vorjahres. Umgebaut auf die Bedürfnisse von Zanardi, fuhr er die restlichen Runden in etwa der gleichen Zeit wie im Vorjahr und das ohne Beine.
Auch in der Tourenwagen-WM war Zanardi mit dabei. BMW hatte ihm einen Rennwagen gebaut mit
geänderten Bedienelementen: Bremsen mit den Oberschenkeln, Gas geben und Schalten am Lenkrad.
In den Jahren 2005 bis 2008 fuhr Zanardi drei WM-Siege ein und war ansonsten immer vorne mit dabei.
Resümee
Horrorunfall überlebt. Rennfahren ohne Beine. Olympia-Goldmedaille mit Handbike – der Mann Zanardi ist
nicht kaputt zu kriegen. Weiter so!
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