Schleizer Dreieck

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Webmaster Reinhold Zitzelsberger

Letzte Änderung

Donnerstag, 22. August 2013 

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Schleizer Dreieck

- Traditionsrennen zum letzten Mal -

 

Das Schleizer Dreieck-Rennen war immer ein Begriff für guten Motorsport. Motorradrennen mit allerbester internationaler Besetzung wurden hier gefahren. Namen wie Schorsch Maier, H.P. Müller, Luigi Taveri oder auch der Formel 1-Vizeweltmeister John Watson waren hier.

Historie

An meinem Geburtstag (4. August 2002) wurde das wohl letzte Rennen auf dieser Naturrennstrecke gefahren. Ich war dabei und war begeistert!

Ich war mal wieder in Sachen Gefahrgut in Thüringen unterwegs und ein alter Freund von mir, Walter Uhlig, der zufällig am 3. August 2002 in der thüringischen Kreisstadt Schleiz ein Seminar für Gefahrgutbeauftragte abhalten musste, hatte mich animiert, doch mal vorbei zu kommen.

Ich kannte Schleiz und das Schleizer Dreieck-Rennen aus meiner Kindheit. Damals, in den 50er Jahren, gab es überall in Deutschland „örtliche“ Rennstrecken – von den großen Sicherheitsanforderungen, wie man sie heute an Rennstrecken stellt, hatte man damals noch nichts gehört. Ob es das Eilenriederrennen in Hannover, das Stadtpark-Rennen in Hamburg, das Grenzlandring-Rennen in Wegberg, das Fischereihafen-Rennen in Bremerhaven, das Schleizer Dreieck-Rennen, die Rennen in Hohenstein-Ernstthal, .... waren, sie fanden alle nach dem gleichen Muster statt. Man nehme irgendeine Landstraße, sichere sie so gut es geht für die Zuschauer ab, lege hier und dort ein paar Strohballen hin und fertig ist eine Rennstrecke. Wenn es dann doch mal krachte, waren Verletzte und Tote die Folge. An Unfälle beim Hamburger Stadtparkrennen sowie beim Rennen auf dem Grenzlandring sei nur erinnert. Schließlich fuhren die Rennmaschinen nur in Zentimeterabstand an den Zuschauern vorbei!

So hatte ich auch 1953 den Bazillus „Motorsport“ anlässlich des Eilenriederennens in Hannover geschnuppert. Nach den schweren Unfällen in den 50er Jahren wurden diese örtlichen Rennstrecken im großen und ganzen zugemacht, im westlichen Teil Deutschlands blieben nur die permanenten Rennstrecken in Hockenheim und der Nürburgring übrig. Hinzu kamen Flugplatzrennen sowie das Norisringrennen in Nürnberg, das ja heute noch gefahren wird.

Anders die Tradition im Osten Deutschlands, hier fanden weiterhin in Hohenstein-Ernstthal und in Schleiz hochwertige Motorradrennen mit internationaler Besetzung statt.

Schöne Landschaft um Schleiz

Mit einem wahnsinnigen Enthusiasmus hatte man die Rennstrecke, die erstmals 1923 nördlich der Kreisstadt Schleiz befahren wurde, am Leben erhalten. Schließlich war Motorradrennsport – trotz der wirtschaftlichen Defizite in der ehemaligen DDR – ein nationales Ereignis.

Schönste und älteste Naturrennstrecke Deutschlands, so stand es auf vielen Prospekten geschrieben. Ich war gespannt.

Anreise von der Saaletalsperre aus, Überquerung der Autobahn Nürnberg – Berlin und ehe ich mich versehen hatte, war ich an der Rennstrecke. Man hatte einfach die Bundesstraße 2 von Hof nach Schleiz gesperrt und zu einer Rennstrecke umfunktioniert. Ein paar Absperrgitter waren zu sehen, davor Polizei und dahinter schon die rasenden Zweiräder. In der 90 °-Kurve, die leicht überhöht war, fuhr man relativ langsam. Allerdings war die Geschwindigkeit, mit der die Motorräder aus dem Norden auf die Heinrichsruh-Kurve zurasten, sehr hoch. Im Hotel Lug-ins-Land im Ort Heinrichsruh, dort wo ich zum ersten Mal die Rennstrecke sah, saßen auf der Terrasse Restaurantbesucher, die aus allernächster Nähe das Rennen anschauen konnten. Rings um Heinrichsruh Getreidefelder und Wälder. Der erste Eindruck war faszinierend und erinnerte mich so ein bisschen an die Motorradrennen auf der Isle of Man.

Zurück über die Autobahn, durch das Industriegebiet von Schleiz, durch die Stadt Schleiz ging’s zum Fahrerlager. Ich bekam meine Presseausweise, die Kollegin in der Pressestelle war höflich und schon war ich im Fahrerlager. Wer hier große Motorradtransporter erwartete, wurde schnell enttäuscht. Es war mehr oder weniger eine riesige Zeltstadt, in der Rennmaschinen hin- und herfuhren; gerade bewegten sich die Gespanne in Richtung Vorstart. Ich war wohl etwas unaufmerksam und wurde von einer Gespannrennmaschine am Fuß angefahren, es war nichts ernsthaftes passiert, denn ich zuckte sofort bei der „Feindberührung“ zurück. Es war alles ein bisschen einfach und das Gebäude bei Start und Ziel mit dem für alle Rennstrecken wohl charakteristischen Turm war schon etwas heruntergewirtschaftet. Überall große Schriftbanner mit Aufschriften, dass das Schleizer Dreieck-Rennen nicht „sterben“ durfte. Zur Information sei noch gesagt, dass die Kommission, die die Zulassung der Rennstrecken zur internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft (IDM) aussprach, die Veranstalter aufgefordert hatte, für mehr Sicherheit zu sorgen.

Ich kannte bisher Boxengassen vom Nürburgring und Hockenheim und alles was hier vorhanden war, war dagegen sehr sehr einfach, wenn nicht sogar primitiv. Aber letztendlich ist Motorradrennsport ja auch in den Bereichen, wo nicht riesengroße Sponsoren hinter den Teams stehen, kaum zu finanzieren – und alleine Begeisterung der vielen Angehörigen des Motorsportclubs Schleiz reicht nicht aus, um eine solche Rennstrecke zu unterhalten und eine solche Veranstaltung auf die Beine zu stellen.

Fahrer aus 18 Nationen

Internationale Deutsche Motorradmeisterschaft (IDM) und Sidecar Europacup war Höhepunkt im diesjährigen Motorsportkalender auf der legendären Rennstrecke. Zum 69. Schleizer Dreieck-Rennen war guter Motorsport zu erwarten. Neben den Rennen in den IDM-Klassen (125 ccm, 250 ccm, Supersport, Superstock und Seitenwagen) sollte es in einem weiteren Lauf um den Sidecar-Eurocup gehen. Die gesamte deutsche Motorsportelite war am Start. U.a. Christian Gemmel, ungeschlagener Leader in der Klasse bis 250 ccm, prominentester internationaler Gast in der Soloklasse war der zweifache Isle of Man-Sieger in diesem Jahr, Ian Lougher. Der Brite sollte in den Klassen 125 ccm und 250 ccm an den Start gehen.

Trainiert wurde am Freitag und am Samstag, das erste Rennen fand Samstag spät abends statt. Es ging um den sog. MZ-Cup, einem Markenrennen, das 2002 in die 6. Saison ging. Mit den seriennahen Maschinen ist guter und preisgünstiger Motorradrennsport möglich. 660 ccm, 1 Zylinder und die Motorräder dürfen max. 51 PS auf den Leistungsprüfstand bringen. Übrigens wird ein Leistungsprüfstand von Rennstrecke zu Rennstrecke mitgenommen, damit auch erkannt werden kann, dass an den Maschinen nicht leistungsorientiert manipuliert wird. 35 Fahrer sollten an den Start gehen, Titelgewinner des vorigen Jahres war Carsten Freudenberg, der auch in diesem Jahr allerbeste Chancen hatte.

Regen am Sonntag

Mit einer Stunde Verspätung ging es am Sonntag Mittag los, zunächst waren die Achtelliter-Piloten mit dem 5. IDM-Lauf der Saison am Start. Der Regen setzte plötzlich ein und so war es erforderlich, zunächst die Motorräder auf Regenreifen umzurüsten und den Fahrern und Maschinen noch einige Trainingsrunden zu gewähren. Nach dem Start im Regen ging der Mann von der Isle of Man, Lougher, in Führung. Er baute seinen Vorsprung bei Regen souverän aus, doch in den letzten Runden gab es einen Angriff des erst 17 jährigen Ungarn Peter Lenhart. Er fand zum Rennende eine Stelle zum Überholen und gewann knapp vor Marcel Schwing und seinem britischen Kollegen.

Für den Ungarn bedeutete der erste Laufsieg auch die Tabellenführung. Lenhart ist gleichzeitig 6. in der Europameisterschaft. Man wird sicher noch viel von ihm hören. Vierter wurde der erst 15 Jahre alte Schweizer Thomas Lühti.

Das Rennen der 250er fand ebenfalls bei strömendem Regen statt, 3 Fahrer setzten sich einige Sekunden vom Feld ab und es sah zunächst nach einem sicheren Sieg von Max Neukirchner aus. Doch in der vorletzten Runde startete Christian Gemmel, der die IDM-Meisterschaft anführte, einen Angriff. In der vorletzten Runde zogen die 3 führenden Christian Gemmel, der Schwede Thomas Pallander und Max Neukirchner Rad an Rad an Start und Ziel vorbei. Man sah nur eine Gischt und wenig Motorrad. Schließlich gewann der in der IDM-Meisterschaft führende Christian Gemmel doch noch mit einem Sekundenvorsprung vor dem Schweden. Der Rest des Feldes war mehrere Sekunden abgeschlagen, teilweise drohten sogar Überrundungen.

Bei der Siegerehrung gab Gemmel an: „Meine Reifen brauchen etwas Zeit, um richtig Grip aufzubauen. Außerdem konnte ich meine Gegner gut beobachten. Am Anfang war ich froh, dass Max vorne wegfuhr. Ich weiß, dass er im Regen gut klar kommt und er somit ein perfektes Zugpferd ist.“.

Thomas Pallander aus Schweden hatte den Start verpasst, kämpfte sich aber tapfer an die Spitzengruppe heran: „Ich fand es gut, dass Christian für seinen Sieg kämpfen musste. Sicher eine gute Show für die Zuschauer. Ich habe am Anfang zu viele Fehler gemacht, ansonsten wäre das Rennen vielleicht anders ausgegangen.“.

Bleibt noch zu erwähnen, dass das Seitenwagenrennen ebenfalls äußerst spannend verlief. Es gab immer wieder bei dem schlechten Wetter Überholungen. Das Gespann Centner/Hellwig übernahm in der 3. Runde die Führung und gab diese bis Rennende nicht mehr ab. „In den letzten Runden bekamen wir Probleme mit dem Motor. Ich befürchtete schon das Schlimmste. Seit 2 Jahren ist das wieder der erste Sieg. Nun möchte ich den Meistertitel, und wenn ich fahren muss, bis ich steinalt bin“, so die Aussage des Siegers Centner.

Abbruch wegen Öl

Die Supersport- und Superstockfahrer konnten nach den Zweitaktklassen und den Seitenwagen ihr Potential in Schleiz nicht unter Beweis stellen. Der Grund war außergewöhnlich: Das Pacecar (ein Audi TT) hatte sich bei seiner Besichtigungsrunde beim Ritt über die Kurbs die Ölwanne aufgerissen und Öl verloren. Eine ölige Substanz war komplett und in schöner Regelmäßigkeit um den 6,8 km lange Kurs verteilt. Nach dem Start ging es für die Supersport-Piloten nur wenige Meter weit, schon folgte bereits die rote Flagge – Rennabbruch.

Der Trainingsschnellste Jürgen Ölschläger drehte danach mit der Rennleitung eine Runde um die versaute Piste, diesmal mit einem intakten Auto. In der Zwischenzeit stellten seine Kollegen ihre Bikes in der Boxengasse ab und nahmen die rund einen Meter breite Ölspur persönlich in Augenschein. Die Entscheidung der Fahrer war schnell klar und wurde durch die Rennleitung bestätigt: Alle weiteren Rennen wurden aus Sicherheitsgründen gestrichen, auch die Seitenwagen-Europacuprennen. Der Regen hatte zwar über Mittag aufgehört, doch die Ölspur bei noch regennasser Fahrbahn zu säubern, war nach Meinung der Verantwortlichen ein Ding der Unmöglichkeit. „Die Sicherheit der Fahrer hat absolute Priorität“, stellte IDM-Serienmanager Udo Mark über Streckenmikrofon klar. Die Ideallinie ist nicht mehr befahrbar.

War das das letzte Rennen auf der fast 80 Jahre alten Rennstrecke in Schleiz?

Schleiz fünf vor zwölf

Das 69. Schleizer Dreieck-Rennen war der letzte IDM-Lauf, der auf dem Traditionskurs in seiner alten Form stattgefunden hat. Die Homologation durch den DMSB läuft Ende des Jahres aus. Eine neue Homologation gibt es nur, wenn die Sicherheitsbestimmungen des DMSB umgesetzt werden. Durch das geplante Industriegebiet Schleiz Süd soll die neue Streckenführung verlaufen.

Schade, nachdem nunmehr auch der Hockenheimring umgebaut wurde, der alte Nürburgring fast nur noch historischen Charakter hat, wird es auch in den nächsten Jahren eine weitere Traditionsrennstrecke wohl nicht mehr geben.

 

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