Besuch in der Villa Trips
- Alte Erinnerungen wurden wach -
Wolfgang Graf Berghe v. Trips starb am 10.9.1961 bei einem tragischen Rennunfall in Monza. Er war das Idol für junge Leute (ich war damals
20 Jahre alt) und auch damals das, was Michael Schumacher für die heutige Jugend ist.
Bis zu seinem Unfall führte er in der Formel 1-Weltmeisterschaft. Sein schärfster Rivale Phil Hill, ebenfalls auf Ferrari, gewann das Rennen
und wurde Weltmeister.
Der Mythos Trips ist heute noch vorhanden, war er es doch, der die Go-Kart-Rennen in Deutschland populär machte und letztendlich auch den
Grundstein für die Formel 1-Karrieren der heutigen Formel 1-Fahrer Michael und Ralf Schumacher, Heinz-Harald Frentzen und Nik Heidfeld legte. Denn diese Rennfahrer haben ihre Karrieren dort begonnen,
wo Wolfgang Graf Berghe v. Trips 1960 die Initiative für die erste deutsche Co-Kart-Bahn legte.
Burg Hemmersbach
Burg Hemmersbach liegt im Kerpener Ortsteil Horrem, inmitten des Braunkohlenreviers, 30 km westlich von Köln. Inmitten von Horrem liegt
eine alte Wasserburg, in der die Eltern Thessa und Eduard Graf Berghe v. Trips lebten und ihren einzigen Sohn Wolfgang großzogen. Wolfgang erlernte und studierte Landwirtschaft. Sein großes Hobby war aber der Motorsport. Zunächst fuhr er
Geländefahrten mit einer 500er BMW, später mit einem Porsche 356 Sportwagen-Rennen; er wurde immerhin 1954 Deutscher Meister. Alfred Neubauer, der
legendäre Rennleiter von Mercedes, engagierte ihn für die Mercedes-Rennsportwagen. Nach dem Ausscheiden von Mercedes aus dem Motorsport (1955 nach dem schrecklichen Unglück in Le Mans),
wechselte Graf Trips zu Porsche. Dort wurde er Europa-Bergmeister. 1958 engagierte ihn Enzo Ferrari. Es ist bekannt, dass der italienische Rennstallbesitzer
auch eine persönliche Vorliebe für Wolfgang Graf Berghe v. Trips hatte.
Begegnungen mit Graf Berghe v. Trips
Als Junge fuhr ich mit dem Fahrrad von Hannover zum Nürburgring (430 km, 3 Tage hin und 3 Tage zurück), um Formel 1-Rennwagen zu sehen. Juan Manuel
Fangio war damals der unbestrittene Star. Aber schon 1957 hatte ich hier eine Begegnung mit Wolfgang Graf Berghe v. Trips. Ich zitiere aus meinem „Reisebericht“:
Am Freitag morgen hatte ich meinen Wecker auf 5.30 Uhr gestellt. Bereits um 6.00 Uhr schlich
ich mich heimlich aus der Jugendherberge und schlenderte zum Fahrerlager. Während ich hier oben klare Sicht hatte, lag unten im Tal bei Quiddelbach dichter Nebel. Mit mir erschienen im
Fahrerlager auch einige Monteure in ihren weißen, gelben und blauen Schlosseranzügen. Sie luden die noch verladenen Rennwagen ab, trugen Ersatzmotoren, Reifen, Werkzeuge usw. in die
Garagen und machten sich an den Wagen zu schaffen, um diese für das um 13.30 Uhr angesetzte Training vorzubereiten, denn für die Rennställe begann der „Große Preis von
Deutschland“ bereits am Freitag. Das Training dient dazu, den Wagen auf den Nürburgring abzustimmen, d.h. die richtige Getriebeübersetzung, die beste Vergasereinstellung usw. zu finden
. Außerdem soll es dem Fahrer die Gelegenheit geben, sich auf dem Nürburgring einzufahren.
Mehr und mehr Leute strömten in das Fahrerlager. Polizisten ließen bald darauf nur noch solche
mit Erlaubnis herein. Auch für mich wurde die Situation kritischer, denn auch ich besaß keinen Erlaubnisschein. Aber da kam der rettende Engel: ein deutscher Rennfahrer.
Als ich mir die Ferrari-Rennwagen ansah und fotografierte, fragte mich ein junger Mann, woher ich denn käme und ob ich mich sehr für Motorsport interessiere.
„Ich komme aus der Umgebung von Hannover, um mir das Rennen am Sonntag anzusehen,
denn ich interessiere mich sehr für den Motorsport“, gab ich ihm zur Antwort.
„Außerdem ...“, ich sah mir den Mann genau an, „Sie haben eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem
deutschen Rennfahrer Wolfgang Graf Berghe v. Trips und wenn dieser nicht gerade im Krankenhaus läge, Sie keinen Bart hätten und ein Gipskorsett trügen, würde ich sagen, Sie sind es“.
Lachend knöpfte der junge Mann sein Hemd auf und klopfte mit dem Zeigefinger auf seinen bis zum Hals reichenden Gipsmantel.
„Hast Du nun noch Zweifel“, fragte er mich.
In weiteren Unterhaltungen erzählte mir v. Trips etwas über Rennwagen, über den Nürburgring, über die Fahrer und über den Grand Prix Sport.
„Seit 1950 wird eine Fahrerweltmeisterschaft auf Grand Prix Rennwagen der Formel 1
ausgetragen. Hierzu zählen in diesem Jahr folgende Große Preise: Argentinien, Frankreich, Monaco, Europa (England), Deutschland, Italien, Pescara und die 500 Meilen von Indianapolis.
Letzteres wird auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke mit 4,5 l Spezialrennwagen ausgetragen, die nicht viel mit europäischen Rennwagen gemeinsam haben. Ob der Große Preis von Pescara
als Ersatz für den Großen Preis von Belgien als Weltmeisterschaftslauf gewertet wird, steht im Moment noch nicht fest. Grand Prix Rennen müssen über eine Mindestdistanz von 500 km
führen oder mindestens 3 Stunden dauern. Für jedes Rennen werden ausgerechnet: Sieger 8 Punkte, Zweiter 6, Dritter 4, Fünfter 2 und für den Fahrer der schnellsten Runde 1 Punkt.
Weltmeister ist der Fahrer, der die meisten Punkte hat. Gewertet werden nur die 5 besten Resultate. Bei Punktegleichheit entscheidet das bessere Abschneiden beim Großen Preis von
Europa. In der diesjährigen Weltmeisterschaftstabelle führt Fangio mit 25 Punkten vor Musso mit 13 und Behra und Hawthorn mit je 7 Punkten. Sollte der Große Preis von Pescara nicht gewertet
werden, so würde Fangio bereits Weltmeister sein, wenn er am Sonntag siegt. Würde sein stärkster Verfolger ausfallen, so genügte ihm schon ein 5. Platz. Der Argentinier siegte in den
diesjährigen Großen Preisen von Argentinien, Frankreich und Monaco, während Moss mit Brooks den Großen Preis von Europa gewann. Das Rennen verspricht am Sonntag sehr interessant zu werden.“
Ich bedankte mich für die Auskünfte und erzählte ihm meine Sorgen über die Eintrittskarten und
Erlaubnisscheine zum Betreten des Fahrerlagers und fragte ihn, ob er da nichts für mich tun könnte. „Sicher“, meinte er, zückte sein Notizbuch und schrieb mir eine Empfehlung an den AvD,
dem Veranstalter des Rennens. Doppel glücklich verabschiedete ich mich von v. Trips und ging ins AvD-Büro, in dem sonst nur Rennfahrer, Funktionäre, Journalisten und dergleichen verkehren
. Ich erzählte einem älteren, am Schreibtisch sitzenden Herrn meinen Wunsch und legte ihm den Zettel mit meiner Empfehlung vor. Er las ihn durch und grinste. Kurz darauf war ich stolzer
Besitzer von vielen verschiedenen Erlaubnisscheinen und Eintrittskarten.
Nicht zu vergessen auch eine Begegnung 1958 beim Bergrennen am Schauinsland bei Freiburg.
Graf Berghe v. Trips fuhr hier einen Porsche. Man konnte „live“ während des Trainings auf dem Startplatz dabei sein. Ich habe noch ein schönes Bild, wo Huschke von Hanstein ihm kurz vor
dem Start zu einer Trainingsfahrt noch Anweisungen gibt.
Leider verunglückte v. Trips beim Rennen nach der Durchfahrt in der Diesendobelkurve, wo ich
stand. Das Rennen war für ihn zu Ende und Überraschungssieger wurde der Schwede Joakim Bonnier, ebenfalls ein Freund von Wolfgang Graf Berghe v. Trips, auf Borgward.
Übrigens habe ich noch heute 3 Autogramme von v. Trips – sie stellen für mich einen hohen
ideellen Wert dar, auch sollen sie, so sagte mir der Leiter des Museums in der Villa Trips, Christoph Louis, materiell viel wert sein (etwa 1.500 €?).
Rundgang durch die Villa Trips
Obwohl wir von Horrem nur etwa 80 km entfernt wohnen, war ich noch nie in der Villa Trips.
Vorbeigefahren war ich allerdings schon des öfteren an der Burg Hemmersbach.
Geschi und ich waren zunächst überrascht von der sehr persönlichen Atmosphäre. Persönlicher Empfang durch den Museumsleiter Christoph Louis. Er zeigte uns auch die Garage, wo 3 Fahrzeuge der Nachwuchsformel TCA stehen (das Kürzel stand für Trips
-Collotti-Auto-Union). Trips war Chef des Unternehmens, Collotti Konstrukteur und Fantuci der Karrosseriebauer. Die ganze Sache hat v. Trips damals etwa 100.000 DM gekostet. Ich habe den TCA beim
Solitude-Rennen 1960 mit May am Steuer gesehen und fotografiert.
An der Wand erkenne ich 5 Persönlichkeiten der Motorsportszene
der 50er Jahre, Huschke von Hanstein, Wolfgang Graf Berghe v. Trips, Hans Herrmann und Richard von Frankenberg.
Die Person zwischen Huschke von Hanstein und Graf Berghe v. Trips kenne ich nicht, ich werde
hierzu von Christoph Louis aufgeklärt, dass es sich hierbei um Victor Rolff handelt, der damals das besondere Talent v. Trips erkannte und ihn auch als Motorradfahrer und später Sportwagen
-Fahrer unterstützte. Beide wurden übrigens 1954 Deutsche Sportwagenmeister in unterschiedlichen Klassen.
Im unteren Bereich der Villa Trips noch zu besichtigen der Raum, in dem die Gräfin Thessa wohnte. Überall Bilder ihres einziges Sohnes
Wolfgang.
Höhepunkt des Museums ist zweifellos das Obersgeschoss, hier finden wir Pokale, Plaketten, Siegerkränze, Fotos, Rennplakate und Gemälde.
Im umfangreichen Zeitungsarchiv und einer 7.000 bändigen Motorsportbibliothek darf geblättert werden. Beim Betrachten der 1.000 Modellautos gerate ich ins Träumen, zumal ich auch eine Sammlung solcher Autos besitze. Nachgestellt wird hier u.a. der Unfall 1961 in Monza.
Einige Rennen, die Graf Berghe v. Trips sowohl in Rennsportwagen als auch in Formel 2 und Formel 1
-Autos gefahren hat, werden mit Bildern und einer Kurzbeschreibung dokumentiert. Ich kann mich erinnern, dass ich 1961 in Zandvoort (NL) beim Großen Preis der
Niederlande dabei war, als v. Trips als erster Deutscher ein Formel 1-Rennen gewann. Auch war ich dabei, als v. Trips 1960 beim Formel 2-Rennen auf der Solitude sich
mit Hans Herrmann (Porsche) einen sagenhaften Zweikampf lieferte. Es gab in jeder Runde mehrere gegenseitige Überholmanöver. Das Rennen wurde von v. Trips knapp vor Hans Herrmann gewonnen.
Ich glaube, dass ich wohl 5 Rennen gesehen habe, in denen Graf Trips am Start war. Man muss
hierzu immer bedenken, dass ich ja 430 km vom Nürburgring und 700 km vom Schauinsland entfernt wohnte.
Beeindruckend auch die Nachbildung einer kleinen Kapelle, wo an den tödlichen Unfall 1961 und
an die Beerdigung in Horrem erinnert wird. Rennfahrer der damaligen Zeit wie Hans Herrmann, Richi Ginther, Stirling Moss, Edgar Barth und Phil Hill tragen den Sarg aus der Burg
Hemmersbach heraus. Kranzschleifen von Stirling Moss, Enzo Ferrari, Phil Hill und Richi Ginther sind zu erkennen.
Im Wolfgang Graf Berghe v. Trips-Zimmer scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Dort wurde sein Arbeitszimmer aus der Burg Hemmersbach aufgebaut. Auf dem eichenen Schreibtisch steht das
bronzene Ferrari-Pferd, das ihm Enzo Ferrari geschenkt hatte. Davor ein Pferdesattelstuhl. Der Blick nach rechts verrät die Hobbys des Grafen: Tonbandgerät, Philipps-Plattenspieler
und auf dem Tisch ein 16 mm-Filmprojektor. Der Koffer und zwei Reisetaschen sind noch mit alten Lufthansa-Anhängern versehen. In einer Vitrine der silberne Helm, den v. Trips bei
der Todesfahrt getragen hat. Vorne ziert ihn das Symbol der Scuderia Colonia, eine Rennsportgemeinschaft, die v. Trips damals mit gründete und die auch heute noch besteht.
Parkcafe – Treffen der Scuderia Colonia
Im Parkcafe nehmen wir einen Cappuchino ein, wir essen dazu selbstgemachte Waffeln und
einen selbstgebackenen Käsekuchen. Betrieben wird das Cafe ehrenamtlich von 3 Damen, man unterhält sich auch gerne mit den Gästen.
Während wir unseren Cappuchino trinken, versammeln sich nebenbei Mitglieder der Scuderia
Colonia. Es wird über „Benzin“ geredet. Wie ich höre, kommt man hier regelmäßig zusammen, um über alte Zeiten zu plaudern. Auch ist es die Scuderia Colonia, die die Initiative ergriffen hat,
das Museum Trips zu fördern. Die Scuderia Colonia sieht sich auch in der heutigen Zeit als lebendiges Vermächtnis ihres Gründers Wolfgang Graf Berghe v. Trips.
Resumé
Es war ein schöner Nachmittag. Erinnerungen an Motorsport vor 45 Jahren wurden wach. Es ist sicher nicht das letzte Mal, dass ich hier auf Burg Hemmersbach war.
Übrigens fand nebenbei in der Villa Trips noch eine Skulpturenausstellung statt. Der Künzler
Winfried Kirches zeigte aus „gebrannter Erde“ Skulpturen, überwiegend Ganzkörperakte in verschiedenen Posen. Die Figuren gefielen auch Geschi sehr gut, so dass auch sie begeistert
war von dem Besuch in der Villa Trips.
Fahren Sie ruhig mal hin. Weitere Informationen findet man übrigens auf der Homepage www.automobil-rennsport-museum.de
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